Videoüberwachung und die DSGVO (Teil 1):
Zulässige Bereiche und Betreiber

Wann immer personenbezogene Daten (insbesondere automatisiert) verarbeitet werden, liegt die Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nahe. So natürlich auch bei der Videoüberwachung: Hierbei liegt der Sinn ja gerade darin, dass Personen anhand individueller, persönlicher Merkmale identifiziert werden können. Schnell stellen sich Fragen wie: Sind auch Privatpersonen, die Videokameras einsetzen, von der DSGVO betroffen? Dürfen Gewerbetreibende ohne weiteres ein Videoüberwachungssystem einsetzen, wenn das Firmengelände oder die Geschäftsräume erfasst sind? Wer darf nun wen bzw. was wo überwachen?

Videoüberwachung
und die DSGVO: Teil 2

Oder lesen Sie Teil 2 der Reihe „Videoüberwachung und die DSGVO“ und erfahren Sie, was die DSGVO von Ihnen verlangt und wie Sie Ihre Pflichten erfüllen können.

Pflichten, Strafen und Lösungen zur Videoüberwachung

Übersichtliche Kurzinformationen zu Ihren Pflichten, zu Strafen bei datenschutzwidriger Videoüberwachung und Informationsschilder nach DSGVO erhalten Sie hier.

„Grenzenlose“ Möglichkeiten der Videoüberwachung?

In 2017 wurde zunächst mit dem „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ (18/1094118/1118318/11125 Nr. 8) die Möglichkeit geschaffen bzw. erleichtert, dass nichtöffentliche Stellen nun insbesondere nach den Maßgaben von § 6b Abs. 1 BDSG a.F. auch öffentlich zugängliche Räume mittels Videokameras überwachen durften. Diese Vorschrift findet sich heute in der wortgleichen Nachfolgeregelung des § 4 Abs. 1 BDSG.

Nichtöffentliche Stellen sind hierbei gem. § 2 Abs. 4 BDSG natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, die z. B. keine Behörden, Organe der Rechtspflege oder andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen sind. Die „normale“ Privatperson ist also genauso eine nichtöffentliche Stelle wie ein Freiberufler oder Gewerbetreibender oder auch ein Unternehmen wie eine GmbH.

Öffentlich zugängliche Räume sind zunächst räumliche Bereiche, zu denen ein unbestimmter oder nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmbarer Personenkreis Zutritt hat. Der Raum kann sich innerhalb oder auch außerhalb eines Gebäudes befinden und es kann sich um ein Privatgrundstück oder auch öffentliche Straßen oder Plätze handeln – das Eigentum spielt also keine primäre Rolle. „Zutrittsschranken“ wie etwa Eintrittskarten, Anmeldungen oder andere Kriterien sind unerheblich, solange grundsätzlich ein unbestimmter Personenkreis Zutritt hat.

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Überwachung öffentlich zugänglicher Räume ist vorliegend insbesondere, dass ein in § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG festgelegter Zweck verfolgt wird: Die Überwachung muss demnach stattfinden

  1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
  2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
  3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke

und es dürfen keine schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen.

Enge Grenzen!

Verstoß von Regelungen in § 4 BDSG gegen EU-Datenschutzrecht

In einem Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil v. 27.03.2019, 6 C 2.18), in dem es um die Videoüberwachung im Empfangsbereich einer Zahnarztpraxis ging, hat das Gericht entschieden, dass keine Zulässigkeit der Überwachung bestehe.

In Bezug auf die DSGVO führt das Gericht aus, sowohl § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG als auch  § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG seien hinsichtlich der Gültigkeit von Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Bereiche durch nichtöffentliche Stellen (z.B. Freiberufler) nicht vereinbar mit geltendem EU-Datenschutzrecht.

Eine solche Videoüberwachung werde laut dem Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit nichtöffentlichen Stellen auch nicht durch § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG erlaubt: „Die Aufgabe der Videoüberwachung zum Schutz der öffentlichen Sicherheit kann nicht auf private Betreiber übertragen werden, sondern bleibt eine Aufgabe der zur Ausübung öffentlicher Gewalt  befugten staatlichen Behörden.“ Dies gibt auch Erwägungsgrund 45 DSGVO entsprechend vor. Eine nur pauschale Aufgabenübertragung erfülle die Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO laut BVerwG („staatlicher Übertragungsakt“) gerade nicht.

Das sollten Sie beachten

Zulässige Räume für die Videoüberwachung

Das Überwachen als nichtöffentliche Stelle von öffentlich zugänglichen Räumen ist also zunächst als sehr kritisch einzuordnen. Der überwachte Bereich sollte daher nicht öffentlich zugänglich sein.

Als nicht öffentlich zugänglich gelten im Allgemeinen Räume bzw. Bereiche,

  • deren zutrittsberechtigter Personenkreis der Verantwortliche festlegen kann,
  • bei denen der Ausschluss des öffentlichen Zugangs klar und eindeutig kommuniziert wird (z.B. durch Verbotsschilder),
  • bei denen der Ausschluss des öffentlichen Zugangs durch Umstände wie der baulichen Gestaltung (z.B. Mauer, Zaun, allg. Begrenzungsmarkierungen) erkennbar ist.

Nachfolgend finden Sie einige Beispiele

(Dies stellt keine Rechtsberatung dar. Für eine Beratung in Ihrem konkreten Einzelfall wenden Sie sich bitte an einen fachkundigen Rechtsanwalt.)

Im Falle einer Videoüberwachung Ihres privaten, möglichst geschlossenen Grundstücks (Innen- bzw. Außenbereich, z. B. des Gartens, Haus, etc.) ist insbesondere sicherzustellen, dass sich der Aufnahmebereich nicht auch auf z.B. einen Teil des Nachbargrundstücks, eines öffentlichen Weges oder einer öffentlichen Straße, etc. erstreckt. Verkehrs- und Funktionsräume sind grundsätzlich nur  für die Bewohner und ihre Besucher gedacht und deswegen als nicht öffentlich einzustufen (z.B. Treppenhaus, Flur, Keller, Tiefgarage). Die Überwachung des eigenen Grundstücks gehört laut Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz zur Wahrnehmung des Hausrechts und darf stattfinden; es sollte (wegen Besuchern, Postboten, etc.) aber eine entsprechende Hinweisbeschilderung auf die Videoüberwachung existieren.
Aber: Der Eingangsbereich vor der Haustüre oder vor dem „Törchen“ am Vorgarten zum Betreten des Grundstücks ist als öffentlich anzusehen, wenn die Erreichbarkeit über einen öffentlichen Weg bzw. Straße gegeben ist.

Im geschäftlichen Kontext unterfallen regelmäßig Bereiche ohne Publikumsverkehr den nicht öffentlich zugänglichen Räumen (z.B. Unternehmens- und Werksgelände, Betriebsstätten, Produktionsbereiche, Lager, Personalräume, Arbeitsplätze, etc.).
Aber: Zugänge, Empfangsbereiche oder auch Aufgänge in Gebäuden mit Publikumsverkehr sind insbesondere während der Öffnungszeiten als öffentlich zugänglich einzustufen (z.B. Empfang von Arztpraxen, Innenraum von Geschäften, etc.).

Im Einzelfall und unter Berücksichtigung aller schutzwürdigen Interessen kann eine Überwachung jedoch auch durchaus rechtfertigbar sein, wie das folgende Beispiel zeigt: Das wäre denkbar bei verhältnismäßiger und nicht verdeckter Kameraüberwachung im Einzelhandel zum Schutz vor Warendiebstahl oder auch bei einer auf den Kassen- oder Abrechnungsbereich begrenzten Videoüberwachung, wo mit hohe Geldbeträgen umgegangen wird.

Ausnahme: „Großflächige Anlagen“?

§ 4 Abs. 1 S. 2 BDSG liefert noch weitere konkrete Fälle, in denen der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von sich dort aufhaltenden Personen als besonders wichtiges Interessen im Mittelpunkt steht und eine Videoüberwachung demnach erleichtert wird. Genannt werden Räume wie

  1. öffentlich zugängliche großflächige Anlagen, wie insbesondere Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Parkplätze, oder
  2. Fahrzeuge und öffentlich zugängliche großflächige Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs.

In solchen öffentlich zugänglichen Räumen wie z.B. in Hotel- und Bahnhofshallen, Schalterhallen von Banken und Sparkassen oder in Kundenbereichen von Kaufhäusern und Tankstellen sind die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen von etwas geringerem Gewicht. Insoweit dient § 4 Abs. 1 S. 2 BDSG als Wertungshilfe für Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO.

Aber auch hier ist umso mehr zu beachten, dass eine sorgfältige Einzelfallprüfung vorgenommen wird, inwieweit eine Videoüberwachung erforderlich und berechtigt ist und ob ein Betroffener mit der Überwachung tatsächlich rechnen darf (Branchenüblichkeit).

Ansprechpartner: Maximilian Günnewig

Maximilian Günnewig hat Wirtschaftswissenschaften studiert (M. Sc. RWTH), ist
geprüfter IT-Sicherheitsmanager (SGD) und zertifizierter Datenschutzbeauftragter (IHK). Er ist Geschäftsführer der Primezert GmbH und berät Unternehmen bei der praktischen Umsetzung datenschutzrechtlicher Vorgaben.